Wallfahrten nach anderen Orten als zur Kaaba in Mekka werden im Islam kontrovers diskutiert. Nach sunnitischer Lehre gibt es streng genommen nur einen Wallfahrtsort und das ist Mekka. Die Verehrung von heiligen Menschen und gar Wallfahrten zu deren Grabstätten haben keine koranische Legitimation. Die Realität jedoch sieht anders aus. Heilige und Wallfahrtsorte sind in der Volksfrömmigkeit des Islam ebenso wie im Christentum äußerst populär und vor allem in Marokko, Tunesien, Pakistan, Irak und vor allem im schiitischen Islam.
Die schiitische Theologie und Volksfrömmigkeit sieht dennoch eine koranische Grundlage für weitere Wallfahrten und zwar in der Sure 42:23, wo es in der Übersetzung von Rudi Paret heißt:
"Dies ist es, was Allah seinen Dienern verkündet, die glauben und tun, was recht ist. Sag: Ich verlange von euch keinen Lohn dafür (daß ich euch die Offenbarung verkünde), abgesehen von der Freundschaft (wie sie) unter Verwandten (üblich ist) [...] Und wenn einer eine gute Tat begeht, erweisen wir ihm dafür noch mehr Gutes (als ihm von Rechts wegen zusteht). Allah ist bereit zu vergeben und weiß (den Menschen für ihre guten Taten) zu danken."
Diese Sure wird von der Schia so interpretiert, dass es geboten ist den Respekt auch durch Wallfahrten zu bezeugen.
Das Wallfahrtswesen im schiitischen Islam hat seine Grundlage in einem wesentlichen Unterschied zwischen Sunna und Schia, dem Imamat. Nach sunnitisch islamischer Theologie ist ein Imam der Leiter eines Gebetes, nach schiitischer Theologie jedoch wird das Wort Imam nur für Ali und dessen Nachfahren verwendet. Nach schiitischer Theologie ist der Imam als Nachfolger Muhammads nicht nur ein politischer sondern auch ein religiöser Führer, der in der Lage ist die inneren Mysterien des Koran und des islamischen Rechts zu verstehen und zu vermitteln. Der Imam steht grundsätzlich in der Erbfolge des Propheten Muhammad folglich ist nach der Schia lediglich Ali der einzige legitime Nachfolger und erster Imam. Das Imamat wurde durch dessen Söhne Hasan und Hussein fortgeführt.
Pilgerreisen zu den Gräbern dieser Nachfolger sind in der Schia weit verbreitet und deren Gräber gelten als heilige Orte. Die Wallfahrt zu den Gräbstätten hat sich seit dem 10. Jahrhundert unserer Zeitrechnung entwickelt. Auch wenn die heiligen Stätten der Schiiten immer von extremen Sunniten zerstört wurden, so wurden sie immer wieder schöner als vorher aufgebaut.
Die Schreine der Schia sind folgende:
Neben diesen Wallfahrtorten finden sich zum Beispiel im Iran weitere. Genannt werden sie Imamzadih. Ein Imamzadih ist eine Grabstätte eines Nachfahren, Verwandten oder engem Freund der zwölf Imame. Weitere Wallfahrtsziele sind die Gräber von Sufi-Meistern des mystischen Islam.
Ähnlich wie im Christentum wird davon ausgegangen, dass diese besonderen Menschen auch eine besondere Nähe zu Gott haben und damit selber Träger einer göttlichen Kraft (Baraka) sind, die durch den Besuch ihrer Grabstätten auf den Pilger übergeht.
nach oben | 2002 - 2007 © Kerstin Probiesch - zuletzt geändert am 29. Juli 2005
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